20140308

Fall 1 - XVI

Es ist hier unten bei weitem nicht so dreckig, wie es noch in Minerstown war. Man kann es nicht direkt als Keller bezeichnen. Selbst hier unten sind die Wände noch sauber ver- und geputzt, alle paar Meter hängt eine einsame Deckenlampe, die sich scheinbar durch die gesamte Etage zieht. Und alle Dutzend Meter Türen mit Aufschriften. Fragt sich für mich jetzt nur, in welcher davon Mokhov ist. Neben mir regt sich der Wachmann. Ich dreh mich zu ih, bücke mich runter, löse seinen Schlips, benutze diesen als provisorische Fessel als ich seine Arme verknote. Etwas für den Mund. Hmm. Er hat ein dickes Taschentuch, das wird ihm unsanft ins Maul gestopft. Sollte für den Moment reichen. Vermutlich eher nicht, aber man tut was man kann. 

Wende mich dem Untergrund hier zu. Er muss Mokhov, wenn hier, dann in einem Bereich festhalten, wo nicht ständig das Dienstpersonal drüber stolpern würde. Also kann es keine Speisekammer oder ähnliches sein. Wenn es aber ein Geheimzimmer ist, hab ich ebenso verloren, weil ich nicht die Zeit habe, danach zu suchen. Andererseits, da ich jetzt schon mal hier unten bin, habe ich wohl kaum eine andere Wahl.

Immerhin, hier unten kann ich mir meine Schuhe wieder anziehen. Was auch dringend notwendig ist, wenn ich mir meine Socken anschaue. Schuhe anziehen und ...ahhh. Viel besser. Taser in der Hand. Vorsichtig zur Tür schleichen. Hab ich die Zeit, großartig leise zu sein? Immerhin suchen meine beiden Aufpasser bereits nach mir und es kann sein, dass der Neffe bereits informiert wurde über mein Verschwinden. Wenn sie die Wache im Wintergarten schon gefunden haben, werden sie auch schon meine Spur haben. Also ist für den leisen Anspruch keine Zeit mehr übrig. Taser in der rechten Hand, reiße ich mit der linken die Tür auf. Oder auch nicht. Weil sie nach innen aufgeht. Ich hasse sowas. Drücke sie auf. Und starre in ein paar verwundert guckende Gesichter. Der Altersschnitt geht irgendwo von Mitte Zwanzig bis Ende der Fünfziger, aber die Leute, die hier teilweise in weißer Klamotte umher stehen neben den stahlgrauen Einrichtungsteilen machen deutlich, dass ich die Küche gefunden habe. Und anscheinend ist das Küchenpersonal von meiner Erscheinung, Waffe in der Hand beim Reingucken, ebenso überrascht davon, wie ich es bin. 

Tür zu, renne weiter. Irgendwo hier unten muss doch Mokhovs Zelle sein. Mein detektivisches Gespür kann mich doch jetzt nicht im Stich lassen! Reiße die nächste Tür auf. Eine Speisekammer. Verdammt. Weiter am Laufen. Irgendwo hinter mir kann ich hören wie eine Tür aufgeht und irgendjemand etwas vor sich hin brabbelt. Keine Zeit. Tiefer in den Komplex hinein. Renne diverse Korridore entlang, der Untergrund ist mindestens so groß wie das Anwesen im Erdgeschoß. Ärgerlich, mehr Fläche die ich passieren muss im schlimmsten Fall. An einer Kreuzung angehalten, kurzer Blick aufs Display. Situation hat sich nicht verändert. Mokhov wirkt immer noch bewusstlos auf seinem Stuhl. Aber Moment. Niemand mehr neben ihm zu sehen im Raum. Also ist sein Folterknecht auch ausgeflogen. Vermutlich weil ihm gesagt wurde, dass ich entkommen bin.

Kurzer Rundumblick. Bin inzwischen in einem Bereich angekommen, der etwas staubiger wirkt. Falsche Richtung gelaufen? Hier und da ist bereits eine Lampe auf dem Weg kaputt und scheint nicht mehr so recht zu leuchten. In einem anderen Korridor zu meiner rechten hingegen ist eine, die ständig flackert. Hier sollte dringend mal ein Elektriker vorbeigeschickt werden. Lautes Fußgetrappel von irgendwo hinter mir. Sind sie schon hinter mir her? Schneller Blick in die Korridore. Links eine Tür, vor mir eine, Rechts eine. Habe keine Ahnung welche davon das beste Versteck ergibt. Renne also zur rechten, und während über mir die Glühbirne in der schweren Korridorlampe flackert, reiße ich die Tür auf, stelle mich rein und mache sie so schnell und sanft es geht wieder zu. Was für ein Widerspruch. 

Moment. Jetzt wird mir erst bewusst, wo ich eigentlich bin. Und damit meine ich nicht das Anwesen eines möglicherweise verrückten Multimillionärs dessen Familienzweig anscheinend zur Abwechslung gerne mal Leute foltert. Sondern eher, das was sich offenbarte, als ich nur mit dem Blick aus den Augenwinkeln den Raum betrat. Langsame Drehung. Linkerhand ein Arbeitstisch mit allerhand Gerät, Zangen, Messern, hier und da ein paar Beilen. Eine Säge, vermutlich eine Knochensäge. Blutig. Der gesamte Raum ist durchzogen von einem rostroten Flair. Muss an den Spuren von Rost und Dreck liegen, die sich hier hindurch ziehen. Der Boden ist zentral mit Fließen ausgelegt, an verschiedenen Stellen ist ein Abfluss eingerichtet. Ein an einen Operationssessel eines Zahnarztes erinnernder Stuhl ist recht zentral auf den Fließen angeordnet. Auf diesem sitzt eine klägliche Gestalt eines Mannes, in blutiger und verdreckter Kleidung, die wohl ehemals einem einfachen Manne gehört haben könnte. Die Gestalt hat den Kopf auf der Brust, die Arme, freigelegt, weisen diverse Schnittverletzungen auf und an einer Stelle ist der Fingerknochen angesägt. Wenn man weiter runtergeht bemerkt, man leicht, dass der Person auf dem Stuhl etwas widerfahren sein muss, denn das Kniegelenk wirkt seltsam unförmig, etwas zu glatt, als dass es normal wäre. Gut, das Blut, das sein Bein herunterläuft ist ja auch ein klares Zeichen. Kurzer Blick auf meine Uhr. Ich habe keine Uhr dabei. Mist.

Ich löse die Fesseln, hebe seinen Kopf, und wenn man von der offensichtlich geschlagenen und mehrfach gebrochenen Nase sowie den geschwollenen und blutig geschlagenen Mund und Augen absieht, wird es wohl Mokhov sein. Armes Schwein. Innehalten. Lauschen. Er atmet noch. Also ist er vermutlich noch am Leben. Aber jedwedes Schleppen könnte, sofern er Verletzungen im Brustbereich erlitten hat, auch sein Ende bedeuten. Da ich aber alleine und ohne Bahre hier bin, muss ich das Risiko wohl eingehen. Ich mein, sehen wir es mal so, die Alternative ist ihn hier zu lassen und damit den Fängen des Wahnsinnigen auszuliefern. Auch kein schöner Gedanke und sicherlich keiner, den ich haben möchte, wenn ich irgendwann mal wieder nach Hause komme.

Fuck. Hätte nicht dran denken dürfen, die Morgensonne und der Gedanke an ein heimatliches Bett machen die Glieder schwer. Kleiner Schlag auf die Wangen. Alle Gurte gelockert und gelöst. Kurzer Blick rundum. Leider keine echten Verteidigungsmittel zu sehen. Bleibt mir nur der Taser. Ich hieve mir Mokhov auf den Rücken und falle beinah nach hinten über. Er sieht bei weitem nicht so schwer aus, wie er jetzt zu sein scheint. Was hat der Mann denn hier unten zu fressen bekommen? Der wiegt doch locker soviel wie ein Sack Ziegelsteine.

Langsamen Schrittes, mit der linken Hand muss ich ihn stabil halten, mit der rechten gleichzeitig den Taser halten und mit dem vor mir interagieren können, zur Tür rüber. Langsam aufmachen. Natürlich quietscht das Mistding genau jetzt. Ich kann sie schon hören. Das Gelaufe in einiger Entfernung. 

Entfernung - Ich hab da was gehört!

Taser im Anschlag luge ich um die Ecke. Trete heraus. Da kommt einer der Wachmänner um die Ecke. Aber noch bin ich schneller. Feuere. Und er geht getroffen zu Boden, zuckt und zittert wie ein Zitteraal. Arme Sau. Leider war er nicht alleine. Er schießt. Das wird wehtun. Aber ich spüre nichts. Stattdessen bemerke ich wie Mokhovs Leib sich aufzubäumen beginnt und ich Mühe habe ihn zu halten. Der Wachmann hat ihn getroffen statt mich. Glück im Unglück. Also für mich, für Mokhov eher weniger. Mein zweiter Schuss sitzt und Wachmann Nr.2 geht zu Boden. Jetzt aber schnell. Ich trete über beide hinweg und mache mich auf den Weg zur Treppe.

Anmerkung:
Ich weiß, dass das Kapitel etwas kürzer als sonst, ich hoffe das mit den nächsten Abschnitt zu ändern.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen