20140510

Fall 1 - XXXIV

Hinter dem Außenpanel kann eine Schalttafel mit Symbolen, Knöpfen und einem Schieberegler ausgemacht werden. Seltsame Zeichen und eine Rot-Gelbe Farbmischung dominieren das Bild, aber ich bin ärgerlicherweise zu weit weg, um genau zu erkennen, was darauf abgebildet ist. Alarmanlage? Sicherheitsvorkehrungen?

Er drückt ein paar der Knöpfe, ein kurzer, sehr hoch-töniger Pfeifton erklingt und mit Zischen und Surren fährt der Schieberegler in seine Richtung aus. Was für eine seltsame Maschine soll das sein? Er nimmt beide Hände auf den Schieberegler und zieht. Er benötigt offensichtlich all seine Kraft, den Schieberegler hinunter zu ziehen. Was für einen Effekt soll er denn damit auslösen? Mein Blick schweift über den Eingang und den gesamten Aufbau.

Die kleine Halle, in der die Gefangenen sind, ist durchaus übersehbar, sie guckt etwas heraus aus der eigentlichen Wand und ist selbst nach oben hin noch mit einem seltsamen Trichterartigen Dach versehen, von dem ein paar Rohre die Umgebung führen. Unterschwellig stellen sich mir die Nackenhaare auf. War mein Gedanke so nahe an der Wahrheit? Aus dem immer noch offenen Sichtschutz, durch den der Alte nun blickt, ist mit einem Male grelles Licht zu bemerken. Gelblich-Rot, als ob es in diesem Moment heraus strahlt. 

Wie ein Vorschlaghammer geht es mir ins Mark. Es sieht nicht nur aus wie ein Hochofen. Es ist einer. Er hat die Verbrennungsautomatik aktiviert. Ich reiße die Waffe hoch, schnelle nach vorne, remple ihn wütend beiseite, und drücke den Schieberegler mit beiden Händen nach oben. Ein Blick in das Sichtfenster zeigt mir, dass es zu spät kommt. Die Flammen lodern so unauslöschlich, wie das Bild, das sich in diesem Moment in mein Blickfeld einbrennen wird für die Ewigkeit.

Menschenleiber, die sich winden in den Flammen, welche ihnen unbarmherzig, Stück für Stück im Feuer die Haut von den Knochen brennt. Menschen, schreiend und wimmernd, die an den Ketten zittern, während die Flammen ihre Essenz auflecken, kochendes Fett, das aus dem verbrannten Fleisch knisternd und zischend heraus kommt, während alsbald der Geruch von stark verkohltem Fleisch die Halle erfüllt. Ich kann es nicht mehr mit ansehen.

Mein Magen revoltiert. Mit einem Mal ist es, als ob alle Dämme brechen. Ich falle, falle zu Boden, drehe mich zur einen wie zur anderen Seite. Speie das wenige, das ich verdaut hatte mit Gift und Galle wieder aus. 

Es vergeht eine kleine Ewigkeit.

Ich werde nach diesem Fall einen Psychiater brauchen. Mindestens einen. 

Fuck.

Mir ist immer noch schlecht. Der Geruch von Fleisch will nicht aus der Nase gehen, wie sollte er auch, solange ich mich hier unten herumtreibe. Ich weiß nicht wer diese Leute waren, aber ich weiß, dass diese Behandlung von niemandem verdient wird. Zorn übermannt mich, hilft mir auf und lenkt mich.

Der alte Mann, den ich vor kurzem so brutal beiseite gestoßen hatte, sitzt, wimmernd an ein Rohr gelehnt, die Hände vor den Füßen, die er angewinkelt in Richtung seines Körpers trägt. Ich trage eine Pistole. Ich entsichere sie, richte sie auf seinen Kopf. Der Finger ist am Abzug.

Sein Wimmern erfüllt für einen Moment die gesamte Geräuschkulisse. 

Mein Zorn hält nicht an. Ich traue mich nicht, abzudrücken. Ist er so klein, dieser Zorn, dass er mich nicht dazu bewegen kann, den alten Mann zu erschießen, der gerade mindestens 24 Menschen auf bestialische Art und Weise ermordet hat? Warum schaut er so seltsam, dieser alte Mann? Warum sagt er nichts?

Heruntergebeugt beäuge ich den alten Mann. Und muss mit Schrecken feststellen, dass er dazu keine Gelegenheit hat, selbst wenn er wollte. Er hat keine Augen mehr. Und immer, wenn der Mund sich öffnet, kann ich den Stumpf sehen, der einst den Platz belegt, an dem andere Menschen eine Zunge haben. Er ist blind und stumm. Ein Werkzeug seines Folterers. Er kann nicht Fouquier sein. 

Ob er wusste, was er eben getan hat? Abscheulich. Etwas erstaunlich, aber als ich hochkomme, beginnt die Geräuschkulisse erneut. Es verbleibt Ohrenbetäubend. Zu mindestens denke ich mal, dass es das tut. In diesem Moment scheine ich dermaßen abgestumpft zu sein, dass es kaum zu mir durch dringt. Immerhin kann ich jetzt etwas sehen. Richtung Treppe kann ich die Flüssigkeit ausmachen, aufgrund derer ich beim Hinuntergehen mir fast den Hals gebrochen habe. Es ist eine Mischung aus dunkler Lache und eingerosteten Farben. Öl und Blut. Wie passend für diesen Ort.

Harten Schrittes erklimme ich die Treppe nach oben. Auf dem mittleren Stege angekommen fällt mein Blick noch einmal nach unten. Noch immer sitzt er dort, der alte Mann im Kittel. Er bewegt sich nicht, sein leerer Blick immer noch das Augenlicht suchend, das ihm genommen wurde. Ein Seitenblick zur Treppe hinauf, dann zurück zum Korridor. Der alte Mann kam aus dem Bereich oben und ich bin mir sicher, eigentlich nicht mehr unter Fouquiers Anwesen zu sein. Mit anderen Worten, wo auch immer es da oben hingeht, es kann nicht ohne Bedeutung sein. Es sind nur ein paar Schritte, bis ich an der Tür bin, und, vorbereitet auf alles was da kommen mag, die Tür aufreiße.

Es ist eine weitere Treppe. Eng, kaum beleuchtet, in einem grau-grauen Farbton gehalten, jeden zweiten Meter von einem kleinen weißlich-blauen Lichte erfüllt. Die Stufen sind recht hoch angesiedelt, fast einen halben Meter über der vorhergehenden Stufe und das obwohl die Decke tief  genug ist, dass ich das Gefühl bekomme, bei jedem Schritt den Kopf einziehen zu müssen. Trotz allem eile ich, so schnell es mir hier möglich ist, nach oben.

Nach vielleicht 20 oder 30 Stufen komme ich an eine weitere Tür, die von meiner Seite aus ein bisschen an die Tür für einen Stromkasten erinnert, wenngleich diese Tür noch dazu etwas vernarbtes hat. Spuren von Graffiti und einer üblen Behandlung haben klare Zeichen hinterlassen. Vorsichtig drücke ich sie auf, während beide Hände an der Waffe dazu dienen sollen, mir Sicherheit und Schutz zu gewähren.

Es eröffnet sich ein kleiner Raum, vielleicht Acht mal Fünf Meter groß, gerade ausreichend für ein Büro oder ein Konferenzraum. Der Fußboden ist mit dreckigem Fliesen übersät, während an der linken Wand eine nur schlecht instand gehaltene Pritsche hängt und der gesamte restliche Raum mit Unrat, Müll und den Überresten von Lebensmitteln übersät ist. An den Wänden hängen Zeitungsausschnitte aus Zeitungen aus den 1950ern während eine alleingelassene Funzel an der Zimmerdecke einsam den Raum beleuchtet. Eine Tür zu meiner Rechten scheint den einzigen anderen möglichen Ausgang darzustellen, zu mindestens wäre sie das, wenn sie nicht durch einen Berg an Müll blockiert wäre.

Es kostet mich etwas Anstrengung, aber es gelingt mir, den Berg einigermaßen beiseite zu schieben. Vor der Tür stehend, drehe ich am Türknauf, drücke sie auf. Geht nicht. Mist. Ziehe. Ahhh.

Mist. Vor mir ist eine Bretterwand. Ein verlassenes Fabrikgebäude? Oder nur ein abgeriegelter Abschnitt einer größeren Anlage? Mit ein paar Schritt zurück, ein bisschen die Muskeln beanspruchen. Gehe in Position. Laufe los. Tackle die Bretterwand. Und breche durch.

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