20151026

Fall 1 - XL


Fouquiers Blick ist glasig, Er kann mich scheinbar nicht mehr richtig fokussieren, so wie er immer wieder den Kopf hängen lässt, nur um dann erneut aufzuschauen.

Zeichner
Rede.

Nachdruck. Er entgleitet mir. Ich trete ihn. Hart. Er beugt sich fast über, speit Blut und Galle. Zu hart?

Fouquier
Wozu? Wenn das Kaltenstadts Dank ist. Macht keinen Unterschied mehr.
Er dreht seinen Oberkörper. Ich fixiere die Waffe auf ihn, Schweiß rinnt mir über die Stirn, als sein Blick kurz Richtung seiner Flinte wandert, nur um ihn dann sich gänzlich drehen zu sehen. Wie ein Krüppel vor einer Heiligenstatue an dieselbe gelehnt zieht er mit seinen Fingern Blutige Spuren über die äußere Oberfläche desselben.

Fouquier
Vergib mir.

Zeichner
HEY! FOUQUIER! ICH REDE MIT DIR! WER IST KALTENSTADT? WAS IST DAS HIER UNTEN? ANTWORTE DU MIESES STÜCK SCHEISS

Im selben Moment dreht er sich um, mit einer raschen Bewegung stützt er sich links und kommt auf mich zu. Es ist seltsam. Wie in Zeitlupe, meine eigenen Bewegungen als würde ich durch Sand waten, sehe ich, wie er mit der Hand nach der Waffe greift und ich gleichzeitig versuche zurück zu ziehen. Er zieht sich an mir hoch, reißt mich fast mit zu sich herunter. Die Waffe drückt gegen seine Brust, seine blutigen Finger klauben an meinem Griff, ob er versucht sie mir zu entreißen oder mich nur zu entwaffnen, unerklärlich. Im Getümmel müssen wir beide wie eng aneinander schmiegend wirken.

Zeichner
NEIN!

Der Schuss löst sich. Er grinst. Aus dieser Distanz in seinen ungeschützten Torso. Der Blutfaden, der sich seinen Mund entlang zieht gleicht einer Fratze des Todes. Die Finger verkrampfen. Zwar gelingt es mir, mich von ihm zu lösen, aber er gleitet auch nur widerstandslos herab. Der Körper zuckt noch einmal. Dann ein weiteres Mal. Ein ekliger Gestank füllt die Umgebung, als sich seine Blase und Darm zu entleeren beginnen. Der gesamte Raum

Zeichner
SCHEISSE! SO EINE VERFICKTE MISTSCHEISSE!

Er hatte darauf spekuliert. Er wollte den Tod. Hat alles daran gesetzt, dass er mir entweder die Waffe entringt oder selber bei drauf geht. Fuck. Er wäre die perfekte Informationsquelle gewesen. Ohne ihn verliere ich ein wichtiges Bindeglied in der Kette und wer weiß wer von ihm alles abhängig war und jetzt untertaucht und...

Wandere auf und ab vor dem Toten. Dass er tot ist, daran besteht für mich kein Zweifel. Den hat es dahin gerafft. In dieser Atmosphäre ist das vermutlich das wenigsten grauselige, aber trotzdem kann ich das Gefühl nicht abschütteln, dass ich es hier total verbaut habe. Dieser Mann hätte nicht sterben dürfen.

Was seine genaue Beziehung zu den Ereignissen war, oder warum er von den Mädchen als Schlachter bezeichnet wird, alles dahin. Ihn kann ich jetzt ja schlecht befragen. FUCK!

Mir zittern die Knie. Der Stress. Es holt mich alles ein. Mehr zu Boden plumpsend als langsam hinsetzend komme ich an der Treppe zum Sitzen. Meine Hände zittern. Richtiger Tatter. Hab ich das letzte Mal bei meinem Großvater gesehen. Nervenflattern. Flashbacks an den Krieg. Der Moment, wenn man nicht in seiner Nähe sein wollte, weil er glaubte, das jeder und alles hinter ihm her wären. FUCK.

Ich kann die Augen nicht zumachen, ohne den Hochofen zu sehen. Der vermutliche Verantwortliche dafür ist jetzt tot. Oder? Ich kann nicht mehr. Der Gestank hier unten wird immer schlimmer. Es treibt einen fast Tränen in die Augen. So schlimm, wie bei den Pennern unter der Brücke, bei denen selbst die Kleidung noch Überreste von Exkrementen mittragen, als wären es ihre Markenzeichen. Ich stecke die Pistole ein, schnappe nach den Zigaretten. Nicht hier unten. Ich hoffe, er war wirklich der einzige andere hier unten, der noch als Gefahren dienen kann. Ich krieche förmlich die enge Treppe hinauf.

Der Geruch verändert sich etwas, wird klinischer, reiner. Es riecht nach industriellen Reinigungsmitteln. Seltsamer Gegensatz. Es beißt geradezu in der Nase. Drücke mich gegen die Wand an der obersten Treppenstufe. Meine Hand zittert immer noch wie Espenlaub im Wind, als ich versuche, mir die Zigarette in den Mund zu stecken. FUCK!

Es kostet mich mehrere Versuche. Blut, Schweiß und, wie ich inzwischen bemerke, auch Tränen, sorgen neben der zittrigen Hand dafür, dass es mich einiges an Mühen kostet, das Feuerzug aus der Jackeninnentasche heraus zu fischen. Und dann geht das Mistding nicht mal im ersten Moment direkt an. Es benötigt ein paar Versuche, bis endlich eine stetige, zufrieden stellende Flamme heraussticht. Selbst im Flackern durch meinen Atem hat es etwas beruhigendes, dieses kleine Feuer. Ich zünde die Zigarette an. Atme tief durch.

Genieße den Zug. Einatmen. Ausatmen. Zug an der Zigarette. Und nochmal. Und nochmal.

Es lenkt ab. Aber es hilft. Hilft, Schrecken zu vergessen oder zumindestens in den Hintergrund zu drängen, die im Moment nicht belasten sollen. Oder dürfen.

Fouquier hat kaum etwas von sich gegeben, aber was er gesagt hat, lässt sich zu mindestens deuten. Er hat offensichtlich für jemanden gearbeitet, das lässt sich daraus schließen, wie verwundert er reagierte, als ich ihn hinunter zum Tank getrieben hatte. Ob es sich aber hierbei um die Wahnsinnigen aus dem Städtchen oder um Matthews handelt. Keine Ahnung. Und dann der Name. Kaltenstadt. Schonwieder ein Deutscher? Krieg ja langsam das Gefühl, das hier so eine Art Nazi-Parade durch die Gegend rollt, wenn ich an die Glatzen denke. Wer ist dieser Kaltenstadt, und warum sollte Fouquier annehmen, das er sich so dessen entledigen will. Ich komme nicht drum herum, ich werde hier alles auf den Kopf stellen müssen, um herauszufinden, was hier wirklich Sache war. Was aber auch nicht ungefährlich ist, denn wer weiß, wann ein echter Kurier oder ein Trupp von Schlägern vorbeikommt. Ich weiß aber auch gar nichts über seinen Modus Operandi. FUCK!

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