20161119

Blut, Schweiß & Tränen - Revolution im Rollenspiel

Der Karneval der Rollenspielblogs 
(November 2016)
 Aufstände/Rebellionen/Unabhängigkeitskriege
Was für ein Thema! Was für eine Komplexität! Ganze Bibliotheken werden gefüllt mit Geschreibsel zu diesen Inhalten, und nun darf/soll/will ich dazu auch was sagen, insbesondere natürlich mit Bezug zum Rollenspiel. Aber fangen wir das ganze mal Schritt für Schritt an.
1580 besiegelte das Ende des spanisch-niederländischen Krieges die Vorherrschaft des Hauses Habsburg über die Vereinigten Niederlande, was diesen die Freiheit brachte.
1776 erkämpften sich die amerikanischen Kolonien die Unabhängigkeit vom europäischen Overlord des britischen Empires.
1917 besiegelte die Bolschewistische Rebellion das Ende des Russischen Zarenreichs.

Unabhängigkeitskriege, Aufstände und Rebellionen, von den Bauernaufständen der Reformation, zu den Kriegen der sich selbst befreienden Stadtstaaten des Zweistromlands, waren immer blutige Angelegenheiten. Es ist ein Zeichen der menschlichen Geschichte, das das Streben nach Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängig ein Teil menschlicher Natur sind.

Am schönsten hat das G´Kar damals in E20S02 von Babylon 5 für mich ausgedrückt

No dictator, no invader can hold an imprisoned population by force of arms forever. There is no greater power in the universe than the need for freedom. Against that power tyrants and dictators cannot stand. - Kein Diktator, kein Eroberer kann ein gefangenes Volk ewig durch Waffengewalt halten. Es gibt keine größere Macht im Universum als das Verlangen nach Freiheit. Gegen diese Macht können Tyrannen und Diktatoren nicht bestehen.

Es gibt mehr Versuche, Freiheit und Unabhängigkeit, aber auch Machtergreifungen durchzusetzen als die meisten von uns gewillt sind zu zählen, und aus gutem Grund. Aber wenn dieses Streben so stark, und diese Tatsachen, und alle Inhalte, die damit zu tun haben, so umfangreich sind, warum sehen wir das dann so selten im Rollenspiel, oder besser noch, so selten in der Hand der Spielrunde selber?

Im Rahmen dieses Artikels werde ich mich im bestimmten mit den Rebellionen und Revolutionen beschäftigen, und wie diese im Rollenspiel aussehen können, tun, oder eben auch nicht.

Historisch gesehen gab es in unserer Welt eine Reihe an bedeutenden Revolutionen, welche das Ende ganzer Zeitalter einläuteten oder ebensolche begannen. Die amerikanische Revolution von 1776 und die Französische Revolution von 1789 bezeugten das Ende des starren absolut-monarchischen Staates und läuteten das Zeitalter des Imperialismus ein, während die Oktober-Revolution Russlands das Sozialistische Experiment und den Einfluss marxistisch-leninistischer Thesen auf ein Staatsgebilde bezeugte und sich gleichzeitig als Vorläufer der Ereignisse um den Kalten Krieg anzeigen konnte. Die große Taiping-Revolte von 1851, welche oft und gerne im Westen vergessen wird, war der Aufstand der China und das damalige Reich der Mitte auseinanderriß und letztlich die Revolte von 1911 begünstigte, welche das Chinesische Kaiserreich in eine Republik und den Warlordstaat der 20er verwandeln würde. Die Persische Revolution von ´78/79 stürzte den Shah und verwandelte, was als Liberale Revolution gegen einen Diktator begann in eine durch fanatische Splittergruppen getragene religiösen Krieg, der zur Islamischen Republik Iran führte, wie wir sie heutzutage kennen. Ein theokratischer Polizeistaat.

Allen diese Revolten gemeinsam ist das Streben derer, die sie begonnen haben, ihre Umstände zu verbessern. Die Franzosen sahen das Sterben in den Straßen unter einer verkrusteten feudalistischen Regierung, welche sich keinen Deut um ihre Belange scherte, was durch die Hungersnot in Paris noch angetrieben wurde, die Amerikaner wiederum sahen stetig wachsende Steuern die Kolonien ausbluten und nahmen die durch große Trunkenheit angetriebene Tee-Revolte zum Anlass, um sich vom Mutterland loszusagen. Die eigenen Lebensumstände zu verbessern war auch ein Hauptaugenmerk der Oktober-Revolution, der chinsischen Taiping-, Boxer- und Republikanischen Rebellion, welche alle darum kämpften, ihre Umstände zu verbessern, ihre Gesellschaft aus den feudalistischen Strukturen zu reißen und nach vorne zu bringen, wie es auch das eigentliche Ziel der Perser war.

Ein gemeinsames Muster also. 
Wie spiegelt sich das jetzt aber im Rollenspiel wieder? 

In DSA sehen wir das Muster der Ereignisse nur im Rahmen von Aufbegehren im Metaplot, ausserhalb der durch Spieler beeinflussbaren Handlung. In DnD ist es im Rahmen der veröffentlichten, offiziellen Kampagnen, eher wengier Spielthema, inoffiziell mag die Zeitgeist- und War of the Burning Sky-Kampagne dies noch am ehesten machen, welche für Pathfinder und 4E existiert. In Shadowrun hingegen, wie in DSA, wird Revolte zumeist in den Nebengeschichten gemacht, welche nicht durch die Spieler beeinflussbar sind, also auch hier wieder ausserhalb der Module, auch wenn das etwas ist, das dem Spielsetting in seinen Inhalten durchaus angemessen sein mag. Aber auch in anderen Rollenspielen, den White Wolf-Spielen, wie Vampire, Werewolf und Co. sind Ereignisse welche Revolution, Planung, Begründung und Durchführung angehören eher Nebensache. Selbst die für Star Wars D20 verfügbare Dawn of Defiance-Kampagne behandelt das Thema nur im Hintergrund und erlaubt den Spielern zu keinem Zeitpunkt, selbst das Szepter über die Ereignisse oder ihre Planung in die Hand zu nehmen.

Wir bemerken also ein Muster. 
Revolutionen gehören nicht in Spielerhand. 

Sie sind nicht zu bespielen, sie sind zu erlesen. Aus Spielleitersicht kann ich das verstehen. Ein typischer Klischee-Satz über den typischen Spielercharakter ist, dass es sich bei ihm um einen Psychopathischen Mörderer handelt, der nur zufällig auf der Seite des Lichts ist. Ich weiß, dass es viele Spielleiter gibt, die jetzt wissend nicken, aber ebenso viele, die mit dem erhobenen Zeigefinger anmerken, dass es in Ihrer Runde ganz anders wäre. Natürlich kommen Klischees nicht von ungefähr, aber es zeugt von geringem Vertrauen, der Spielerschaft nicht zuzugestehen, eine Revolution durchzuführen, zu planen oder zu erzeugen.

Der Hintergrund ist sicherlich verständlich, es ist deutlich anstrengender, schwieriger sogar, ein Modul zu schreiben, in dessen Rahmen die Spieler eine Revolte oder Revolution planen und umsetzen. Es ist, quasi, per definitionem, als Sandbox zu schreiben, und erzwingt, dass der Spielleiter letztlich reagiert und alle Ereignisse darauf ausrichtet, dass die Spieler entweder das Szepter ergreifen und damit die Kampagne anleiten, oder es für sie macht, aber letztere Option ist natürlich deutlich einfacher, wenn die Spieler nicht die Leiter der Revolte sind.

Gleichzeitig ist hier ein Kapitel an Möglichkeiten verloren gegangen. Indem man nicht die Möglichkeit der Revolte in Spielerhand legt, entzieht man sich der Chance, die Geschichten, die darum entstehen, zu erzählen, Man begrenzt sich letztlich damit in seinen Erfahrungen und die Erfahrungen, welche man im Spiel machen kann, leiden darunter. Ich würde jetzt nicht zwingend sagen, dass ab sofort jeder anfangen sollte, für ein Spiel eine Kampagne zu schreiben, oder Rollenspiele zu basteln, deren Spielinhalt das Aufbegehren und Anführen einer Revolte ist, manche Spiele geben sich dafür auch gar nicht, zum Beispiel muss ich direkt an Cthulhu denken, oder Cyberpunk 2020 (Und in Verlängerung dann eben auch Shadowrun), aber es ist doch zu bemerken, dass wir hier die Möglichkeit haben, das Formen einer Spielwelt und damit auch das Aufbringen einer ganz neuen Erfahrungsspanne in Spielerhand zu geben.

Allein die Bandbreite der Szenarien sollte das wertmachen. Die Frage nach dem Moralischen, wann ist die Revolution noch wert, dass dafür gekämpft wird, Liebe in Zeiten von Revolten, der Feind meines Feindes, Einspannen von Glauben und Wirtschaft für Revolutionäre Zwecke, Recht und Rechtschaffenheit unter Revolutionären und andere Punkte sind einfach unerforscht. Und seien wie mal ehrlich, es wäre doch interessanter, als wenn wir das Dungeon-Abenteuer #4877 bekommen, oder?

Also, meine werten Genossen! 
Mut zur Revolte! 
Begehrt Auf!
Revoltiert!

2 Kommentare:

  1. Kleiner Einwurf:
    Pathfinder hat mit Hell's Rebels und Hell's Vengeance gleich 2 Adventure Path, die sich ausschließlich um das Thema Rebellion (bzw. deren Niederschlagung) drehen.

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  2. Da werde ich wohl einen tieferen Blick drauf werfen müssen, aber danke für die Anmerkung, das ist wohl an mir vorbei gelaufen.

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