20170223

Fall 1 - LXX

Ich kann die Schritte hören, wie er die Treppe vor mir runtergeht. Kann die Augen nicht vom Saal vor mir abwenden. Selbst auf die Entfernung hin sehe und erkenne ich sofort ein paar Personen, trotz der Masken, die manche sich, durchaus farbenfroh übergestülpt haben mögen....
Was wie ein bizarres Schauspiel einem Kubrick würdig ähnelt, hat eine geradezu dekadente Stimmung im Saal selbst. Auf den ersten Blick scheinen die kleinen Gesichtsmasken auch weniger die Person zu verdecken, als vielmehr einen Ausdruck der Persönlichkeit darzustellen, mit ihren Verzierungen und seltenen Stoffen.

Mein Herz setzt einen kurzen Moment aus. Mein Bauch schmerzt, als wenn er selbst wiedererkennt. Esther Rassila sitzt an einem linken äußeren Rundtisch zusammen mit einem älteren Herren, der dabei  sitzt und an einem Glas nippt. Könnte der Zar selbst sein. Auf der anderen Seite des Raumes erkenne ich Smetnik wieder, diese kleine Kanaille. Auch Matthews von Spritzer scheint anwesend zu sein, wenn ich das schmierige Grinsen weiter vorne richtig deute, der sich gerade an die junge Dame neben ihm herantastet.

MP-Träger – Hey!

Blick nach unten, er weist auf die untere Glastür, steht an dieser, genervter Gesichtsausdruck. Kurzer Blick zur linken, ein Korridor, der vom Saal weg und um diesen herum zu führen scheint, zur rechten ein separater Lasten-Aufzug. Eile um die Brüstung herum zum Treppenansatz und ihm schnell hinterher die Treppe hinunter. Bloß keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Er hält vor mir die Glastür auf, bis ich hindurch bin, und unter dem Überhang des oberen Korridors stehe, Säulen halten diesen aufrecht, und erlauben mir das Stehen im Halbschatten. Er ist nicht der einzige Bewaffnete hier, sehe direkt noch zwei andere am Rand des Saals herumlungern, beide ähnlich schwer gerüstet. Mein Führer zeigt mit dem Kopf durch leichtes Nicken auf die Tür hinter ihm. Eine doppelseitige Küchentür, deren Bullaugen geschwärzt wurden. Er drängt mich geradezu hindurch zu gehen. Hinter mir fängt der Typ auf der Bühne an zu sprechen.

Ältere Herr - Damit kommen wir zum nächsten Objekt. 22 Jahre jung, Blond und unberührt, frisch eingetroffen. Das Startgebo…

Hinter mir drücken die Küchentüren sich zu. Kaum ein Geräusch dringt hier herein, dafür umso mehr auf mich ein. Vor mir ein lautes Tohuwabohu von kulinarischen Genüssen, Gerüchen und Aktivität, eine kleine Gruppe von 2 Köchen und 4 Helfern ist scheinbar dabei im Schnelldurchlauf so viel Essen wie möglich zu kreieren, in der Hoffnung die Meute da draussen auch noch zu füttern. Einer der Köche guckt mich an, und zeigt auf ein Tablett und eine Reihe von kleinen Dessert-Speisen. Offensichtlich war die Person, die ich ausgeknockt habe ein Kellner?

Koch – Die alle. Einmal rum.

Ich nicke ihm zu. Er hat sich abgewandt, und brüllt seinem Kollegen etwas zu.

Koch – Wie weit bist du mit dem ersten Gang?

Ich greife mir das Tablett, kurzer Blick in die Umgebung. Keine Bewaffneten hier, und keiner stört sich an meiner Präsenz bisher. Ein weiterer Ausgang in einen unbeleuchteten Korridor zur Rechten, hinter mir nur der Weg in den Saal zurück. Stelle das Tablett sanft auf die unterste Ebene, damit es nicht sofort auffällt. Ein paar schnelle Schritte und ich bin an der Tür zur rechten, welche ich aufmache, und hindurch schlüpfe. Der Korridor ist dunkel, das herausgreifende Licht aus der Küche leuchtet nur mittelbar auf ein Schild zur Linken. Personaltoiletten. Der Korridor geht zur rechten weiter. Hand ans Mobiltelefon. Glücklicherweise fungieren die Dinger auch super als Lampe.

Ein paar Schritte weiter geht es zur rechten um die Ecke, wie auch zur linken, wobei beides eine Treppe ein kleines Stück hinauf geht, die linke aber ein ganzes Stückchen höher, vermutlich ein alternativer Weg zum Hauptraum? Mit dem Licht die rechte Treppe weiter hoch, nach zwei Metern auf einer Zwischenebene angekommen, welche deutlich düsterer und trauriger aussieht. Wo die Wände im Saal und im oberen Hauptraum noch verziert waren, sind sie jetzt kahl und Dröge im Betonmischer-Grau. Zur linken kann ich an verschiedenen Stellen Spuren von Wasserlinien sehen. Etwas wird von irgendwo oben durchtropfen. Der Korridor selbst endet in einem Durchgang auf die hintere Bühnenebene. Ich kann Seile und Befestigungen sehen. Und ein Fingerzeig! Der Korridor selbst beugt sich gegen Ende aus und öffnet sich zur rechten, vermutlich zur Bühne hin, aber am Ende des Korridors eine Tür mit einem Betreten Verboten/Hochspannungsgefahr-Zeichen. Eine Hauptstromquelle. Geräusche von Vorn.

Drücke mich an die Wand. Telefon in die Tasche. Hand am Revolver. Die Geräusche werden nicht lauter. Scheinbar spricht da irgendwer. Drücke mich langsam an der Wand nach vorne. Augen gewöhnen sich nur langsam an die Dunkelheit, welche dort vorn auch teilweise wieder in einen dünnen Lichtkegel übergeht. Klatschen. Aus dem Saal, der nun, hinter mir, mit dem Rücken an der Wand, steht, kommt laut und vernehmlich Klatschen. Die dumpfe Stimme des Ansagers dringt kaum durch, aber das bemerkt man. Hmm.

Je weiter ich nach vorne komme, umso deutlicher werden die Worte. Oder undeutlicher. Es ist nicht direkt Gesprächsmaterial, mehr, als würde jemand abgehackt Worte durcheinander würfeln und dann von sich geben. Erreiche die Ecke. Der Strom-Raum ist nur wenige Meter vor mir. Kurzer Blick herum. Ein bizarrer Anblick. Eine Reihe von jungen Frauen und Männern, allesamt halbnackt, halb zusammengepfercht auf harten, rauen Holzdielen stehend oder sitzend, während vor dem schweren Vorhang, welcher das Hintendrein von der vorderen Bühne abtrennt, zwei Typen, einer, kurzes Haar, schweres Gesicht, große Statur, MP in der Schlinge um den Oberkörper, der andere, ein ebenso bullig wirkender Typ ohne schusssichere Weste aber, an einem Misch- und Computerpult sitzen offensichtlich auf den Monitor starrt, mit einem Ohr immer am Kopfhörer. Keiner von beiden scheint großartig auf das zu hören, was auf der Bühne so passiert. Die halbnackten hingegen wirken wie in Trance, seltsam hin und her wackeln, als hätte man Ihnen irgendwas eingeflößt. Vermutlich nicht so weit von der Wahrheit entfernt. Keiner von beiden guckt gerade in meine Richtung. Chance nutzen!


Leise tretend zur Strom-Tür. Prüfender Blick, keine Alarmanlage oder ähnliches sichtbar. Am Knauf gedreht, das summende Geräusch von Starkstrom vor mir. Ein Schaltpult. Ziehe die Tür langsam hinter mir zu, was mich allein lässt in diesem extrem lauten Raum. Schweiß auf der Stirn. Meine Hand sucht vorsichtig nach einem Lichtschalter. Aha! Ein einfacher Kippschalter lässt eine dürre, altmodische Funzel der 70er langsam heller werden. Da hat wohl jemand am falschen Ende gespart. Ein schneller Blick in den Raum. Soweit alles Standard. Wichtig ist der Stromschaltkasten. An der Seite entsichert und geöffnet. Ein digitales Touchpad daneben. Sehr Modern das Ganze. Ohh, mit Universalabschaltung. Problem, wenn ich das jetzt direkt ausmache, werden fünf bis zehn sehr motivierte schwere Bodyguards mit Maschinenpistolen mir wohl ein Bleilied singen. Moment. Das Ganze hat auch ein altmodisches Überlastungsschutzrädchen. Sehr schön. Vorsichtig hoch drehen. Sicherungsmarker ziehen. 105%. 110%. 125%. 150%. Das starke Summen dröhnt geradezu. Die kleine Funzel glüht geradezu auf. Ich habe selbst im besten Fall nur wenige Minuten ehe die Lampen durch knallen. Jetzt aber flink.

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